Warum wir Aktionen von Frauen

und die Stimme von Feministinnen für den Frieden brauchen

Übersetzung: Brigitte Hummel

 

 

Eine große Zahl der vielen hundert Gruppen und Aktionen, die sich mit dem Krieg gegen den Irak befassen, werden von Frauen aufgestellt und organisiert.

Der Rosa Code: Unreasonable Women for Peace (Unvernünftige Frauen für den Frieden) . Sie haben Anhörungen im Kongress unterbrochen und halten seit dem 17.11.02 eine fortlaufende Friedenswache vor dem Weißen Haus.

Women in Black (Frauen in Schwarz). Sie halten regelmäßig Mahnwachen in hunderten von Gemeinden überall auf der Welt.

Women Rising for Peace and Justice (Frauen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen), die Frauengruppe von United for Peace (Vereint für den Frieden), hat den 17. Januar zum Tag der Aktionen von Frauen gegen den Krieg ausgerufen.

Frauen sind in besonderem Maße betroffen von Krieg, Rassismus und Armut, den drei von Martin Luther King benannten Grundübeln. Aber wenn wir als Frauen für den Frieden eintreten, dann tun wir das nicht, um unsere besondere Opferrolle zu betonen, sondern um eine andere Vision von Stärke darzustellen. Aktionen, die von Frauen ersonnen und geleitet werden, wohnt eine außerordentliche Energie und Kraft inne. Diese Kraft entsteht nicht dadurch, dass Männer ausgegrenzt werden (bei fast allen dieser Aktionen sind Männer als Teilnehmer willkommen), sie entsteht vielmehr aus der Freude und dem visionären Potential, die entstehen, wenn wir als Frauen zusammenkommen, um die Werte des Lebens und des Sorgens zu verteidigen, die uns teuer sind.

Zur Verteidigung dieser Werte benötigen wir nicht nur die Stimmen von Frauen gegen den Krieg, sondern insbesondere die von Feministinnen. Denn der Feminismus ermöglicht uns die Analyse des Patriarchats, die Konstellation von Werten, Ideen und Glaubenssätzen, die die Kontrolle des Mannes über die Frau stärken.

Es gibt keine Eigenschaften, die von sich heraus oder ausschließlich weiblich oder männlich sind. Männer können mitfühlend, liebevoll und freundlich sein, und Frauen können hart, wagemutig oder gefühllos sein. Aber das Patriarchat behält die mit Aggression und Wettbewerb verbundenen Eigenschaften dem Mann vor, während es der Frau die als minderwertig betrachtete Rolle des Nährens und Dienens zuweist. Das Patriarchat bewertet Härte höher als Weichheit, Zähigkeit höher als Zartheit, Bestrafung, Rache und Rachsucht höher als Mitfühlen, Verhandeln und Versöhnen. Die "harten" Eigenschaften werden mit Macht, Erfolg und Mannsein gleichgesetzt, während die "weichen" Eigenschaften Schwäche, Machtlosigkeit und Frausein bedeuten und schlecht gemacht werden.

Im Patriarchat werden Männer verspottet oder als Schwächlinge betrachtet, wenn sie weibliche Eigenschaften zeigen. Politiker gewinnen Wahlen mit Härte (Härte in Bezug auf Terror, Kriminalität, Drogen, Mütter, die von Sozialhilfe leben). Der Ruf nach Zusammenarbeit, Verhandeln, Mitgefühl oder dem Erkennen unserer gegenseitigen Abhängigkeit wird mit weiblicher Schwäche gleichgesetzt. Im Namen der Härte berauben die Macht-Ausübenden die Armen ihrer Lebensgrundlagen, die Bekümmerten und Kranken der Behandlung und Fürsorge, den Durchschnittsbürger seiner Privatsphäre und seiner politischen Rechte. Auf Konflikte und soziale Probleme reagiert das Patriarchat mit Zwang, Bestrafung und Gewalt.

Im Krieg findet das Patriarchat seine ultimative Ausdrucksform. Im Krieg können die Harten ihre Härte beweisen und über die Verlierer triumphieren. Soldaten können zum Sterben oder Töten gezwungen werden, wenn ihre Furcht als weiblich oder feige bezeichnet zu werden größer ist als ihr Unwille dem Tod ins Auge zu blicken oder ihn zu geben. Der Krieg löscht jedes Argument für Mitgefühl und alle Vorbehalte gegenüber der Gewalt aus. Der Krieg stellt die Rechtfertigung dar für eine Politik der Stärke, die es den Regierenden gestattet Kontrolle über alle Lebensbereiche auszuüben

Kluge Feministinnen behaupten nicht, dass Frauen an sich freundlicher, sanfter, mitfühlender als Männer sind. Wenn wir das täten, würden uns die Margaret Thatchers und die Condolezza Rices dieser Welt sehr schnell das Gegenteil beweisen. Allerdings behaupten wir, dass das Patriarchat brutales und dummes Verhalten fördert und belohnt. Wir brauchen die Stimmen raubeiniger, wagemutiger Feministinnen, um das pompöse Gehabe, die Arroganz, die Heuchelei der Kriegstreiber zu brandmarken und um klar zu machen, dass gorillahaftes Brustklopfen nichts mit Diplomatie zu tun hat, dass der Besitz der weltgrößten Ansammlung phallischer Raketenwaffen nicht mit moralischer Autorität gleichzusetzen ist, dass Invasion und Eroberung keine Akte der Befreiung darstellen.

Und wir müssen die Welt daran erinnern, dass moderne Kriegführung keinesfalls die Zivilbevölkerung verschont. Vergewaltigung ist immer eine Waffe des Krieges, und die Körper von Frauen dienen den Eroberern als Preis. Frauen und Kinder und auch Männer, die nichts zu sagen haben bei den politischen Entscheidungsprozessen ihrer Regierungen, konfrontiert der Krieg mit Tod, Verstümmelung, Verwundung und dem Verlust ihrer Behausungen, ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Familien und Freunde.

Das Patriarchat ist der Bruder des Rassismus, der eine Gruppe von Menschen über eine andere stellt, der diese andere ihres Menschseins und ihres Wertes beraubt und behauptet, dass diese Bestrafung, Gewalt und Ausrottung verdient.

Wir brauchen die Stimmen von Feministinnen für den Frieden, weil die Probleme der Freiheit und Selbständigkeit von Frauen in zynischer Weise dazu benutzt werden, anti-arabischen Rassismus und die Besetzung arabischer Länder zu rechtfertigen.

Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten , die sich jetzt als die Befreier von Frauen in der moslemischen Welt aufspielen, sind die gleichen Mächte, die die Taliban, Sadam Hussein und Al Qaeda zunächst finanziert haben, sie unterstützt und an die Macht gebracht haben, ohne sich Gedanken zu machen über deren Umgang mit Frauen. Die Befreier der Frauen in Afghanistan haben Basisorganisationen von Frauen wie RAWA, die Revolutionäre Vereinigung der Afghanischen Frauen, vollkommen ignoriert und eine neue Regierung eingesetzt, die beinahe genauso unterdrückerisch ist wie die Taliban, und sie haben die mutigen Frauen, die ihr Leben riskierten, um ihren Töchtern eine Erziehung zu geben und sich zumindest ein wenig Freiheit unter dem tyrannischen Regime zu bewahren, völlig ausgeschlossen.

Wir protestieren gegen die Heuchelei, die die Unterdrückung der Frau in der arabischen Gesellschaft laut hinausposaunt, während sie der Unterdrückung der Frau in den westlichen Ländern keinerlei Augenmerk schenkt. Auch der Rassismus, die wirtschaftlichen Zwänge und die Gewaltbereitschaft, die Teil der westlichen Kultur sind, werden völlig übersehen, wenn der Westen als der Fahnenträger der Freiheit gerühmt wird. Frauen können sich nicht sicher fühlen auf den Straßen des Westens, noch können wir uns der Lebensgrundlagen für unsere Kinder sicher sein, der Gesundheitsfürsorge im Krankheitsfall, der Pflege und Unterstützung im Alter. Die tägliche weltweite Gewalt gegen Frauen und Kinder, brutale Körperverletzung, Vergewaltigung, Armut, Mangel an Möglichkeiten, der globale Handel mit Frauenkörpern werden schlicht übersehen. Auch die riesigen globalen Ungleichheiten, die dem Westen zugute kommen, werden ignoriert, genauso wie die geschichtliche Tatsache, dass die Ausbeutung des Ostens und des Südens durch den Westen den Wohlstand hervorbrachte, der unsere schnellere wirtschaftliche und geistige Entwicklung möglich machte.

Frauen werden überall auf der Welt unterdrückt, in moslemischen und nicht-moslemischen Gesellschaften. Aber Frauen können nicht durch die Panzer und Bomben derjenigen befreit werden, die die Jahrhunderte alte Politik der Ausbeutung fortsetzen, die die Bodenschätze sich selbst vorbehalten und Vorurteile schüren gegen die Kultur und das Erbe, die auch zum innersten Wesen einer Frau gehören.

Wir brauchen die Stimmen von Feministinnen für den Frieden, um zu sagen, dass diejenigen, denen Leben und Freiheit wirklich wichtig sind, dazu beitragen, Frauen, in welcher Kultur auch immer, die um Befreiung und soziale Gerechtigkeit ringen, zu stützen, nicht sie zu vereinnahmen.

Bei dem Krieg gegen den Irak geht es nicht um Sicherheit, Schutz oder Befreiung. Die eigentlichen Kriegsziele beinhalten u.a. die Kontrolle über die reichen irakischen Ölvorkommen und die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten im Mittleren Osten. Der Rassismus ist die Ideologie der politischen Gewalt, der Glaube, dass wir zu herrschen verdienen, weil wir einer anderen Gruppe überlegen sind.

Rassismus und Patriarchat sind die Rekrutierungs-Werkzeuge von Legionen von Vollstreckern: von Soldaten, Polizisten, Richtern, Bürokraten und Beamten, die die Institutionen der Macht schützen. Patriarchat, Rassismus, Menschenhass, Diskriminierung von Arabern und Moslems, Antisemitismus, Verachtung alter Menschen und alle Formen von Vorurteilen lassen uns von oben herab blicken, andere als unter uns stehend betrachten, anstatt dass wir nach oben schauen und dadurch ganz deutlich sehen wie wir manipuliert werden.

Wir brauchen die kräftigen Stimmen der Feministinnen, um ganz laut zu sagen, dass es keine Hierarchie menschlicher Werte gibt, dass jedes einzelne Kind liebenswert ist, dass wir uns mit Frauen, Kindern und Männern überall auf der Welt verbinden.

Öl ist die Lebensader, und das Militär ist der ultimative Vollstrecker einer Wirtschaftspolitik, die die Armen entrechtet und den Lebensunterhalt der arbeitenden Weltbevölkerung untergräbt. Sie erreicht dies dadurch, dass sie Wohlstand und Macht unter immer weniger Menschen aufteilt, die Familienfarm, die lebendige Nachbarschaft, den gewachsenen Wald und die letzte übrig gebliebene Wildnis zerstört, den Ackerboden erodiert, die Atmosphäre vergiftet, das Klima auf der Erde durcheinander bringt und jedes lebenserhaltende System auf dem Planeten bedroht. Auch das globale System des Kapitalismus der Konzerne betont die Notwendigkeit von Härte und rücksichtslosem Wettbewerb und verachtet zutiefst Werte wie Fürsorge, Mitgefühl und Nähren. Frauen arbeiten in den Ausbeuterbetrieben, die die Billigwaren der globalen Wirtschaft produzieren. Die große Mehrheit der Armen dieser Welt sind Frauen und Kinder.

Die feministische Stimme für Frieden muss die Grundursachen des Krieges identifizieren und ansprechen. "Frieden" kann nicht getrennt gesehen werden von Gerechtigkeit, wirtschaftliche Gerechtigkeit eingeschlossen. Und wirkliche Sicherheit kann nur dann erreicht werden, wenn wir ein neues globales Netz gegenseitiger Hilfe und Unterstützung weben,

Wir brauchen Aktionen von Frauen, um diese weitreichenderen Verbindungen herzustellen, um geltend zu machen, dass Mitgefühl nicht Schwäche bedeutet, Brutalität nicht Stärke, um unsere Unterstützung für nährende und lebenserhaltende Werte sichtbar zu machen. Und schließlich brauchen wir Frauen und Männer, die mit uns ihre Stimmen erheben und wie eine Tigermutter brüllen in Verteidigung unserer Verbundenheit mit dem Leben an sich, dem wahren Boden des Friedens.

 

Informationen über geplante Aktionen von Frauen sind zu finden unter www.codepink4peace.org oder unter www.unitedforpeace.org. Für weitere Informationen über die Mahnwache von Frauen (Women’s Vigil) und die Ereignisse am 17. Januar setzt euch mit The Women’s Peace Vigil unter der Nummer 202-393-5016 in Verbindung.

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